Wohlfühlen nach dem Essen – kann Kalorienzählen helfen?

Kennst du das auch?
Du sitzt nach dem Mittag auf der Couch und dein Bauch ist so voll, dass selbst das Aufstehen schmerzt? Dann bist du damit nicht alleine! Vielen ergeht es so und empfinden das als unangenehm.

Doch wie kannst du dieses Gefühl verhindern und warum ist die Methode des Kalorienzählens oft in aller Munde?

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Kalorienzählen – was steckt dahinter?

Oftmals unterschätzt man, wie schnell der Kalorienbedarf des eigenen Grundumsatzes gedeckt ist.
Vielleicht nimmst du dir im Alltag nicht so viel Zeit, schlingst Mengen herunter, baust Snacks ein oder isst allgemein zu große Portionen. Du brauchst nur eine einfache Begründung: „es schmeckt“.

Ganz zufrieden bist du allerdings nicht und du fragst dich, was du tun kannst, um dich wohler zu fühlen?

Ganz schnell scheint Kalorienzählen die Lösung zu sein. Es kann helfen, einen Überblick über das Essverhalten zu bekommen, die eigenen Gewohnheiten zu sehen, zu verstehen und schlussendlich auch zu bewerten.
Du fragst dich, ob die Packung Chips am Abend wirklich noch nötig war? Ob dir Proteine fehlen? Oder ob du ansich genug Wasser trinkst?

Die Idee des Kalorienzählens ist simpel.
Um diesen Überblick zu erlangen, hat die Küchenwaage die Funktion, von nun an dein bester Freund zu werden.
Alle Zutaten, jedes Lebensmittel, jedes Getränk, was du zu dir nimmst, wird abgewogen und der Einfachheit halber in eine App eingetragen.
Kalorien, Eiweiß, Fettgehalt – das alles sind Werte, die die App schnell ermittelt, nennen und dir aufzeigen kann.

Die Genauigkeit vom Kalorienzählen

Aber stimmt es überhaupt, was die Apps sagen?
Kann Kalorienzählen detailgenau sein?
Um es kurz zu fassen: Nein!

Wie es in der Natur oft ist, gibt es natürliche Schwankungen in einem Produkt. Die App kann dies nicht mitberechnen.
Es gibt Unterschiede, ob du ein unverpacktes, rohes Produkt oder ein verpacktes, industriell gefertigtes Lebensmittel tracken möchtest. Letzteres sind meist hochverarbeitete Lebensmittel, die mithilfe der Zutatenliste einen vermeintlich klaren Einblick in das Produkt schaffen. Das heißt jedoch nicht, dass die Werte tatsächlich exakt dem entsprechen wie auf der Verpackung und dass sie von Anhieb gesünder sind!

Wenn du dagegen Obst nimmst, so unterscheidet sich die Kalorienanzahl nicht nur nach der jeweiligen Sorte, sondern auch nach dessen Reifegrad. Eine Banane hat somit bei einem fortgeschrittenen Reifeprozess an Zucker gewonnen, wodurch die Kalorienanzahl höher ist als bei einer grüneren Variante.

Es kommt also nicht nur auf die Zutatenliste eines Produktes, sondern auch auf den Verarbeitungsgrad an.

Die Gefahr hinter dem Kalorienzählen

Kalorienzählen ist eine Methode, die Bewusstsein schafft – doch birgt sie auch Risiken?

Vielleicht hilft dir die Frage, wie du dich fühlst, wenn jemand in deinem Umfeld jede Kleinigkeit abwiegt?
Wenn das Handy am Tisch viel Zeit vor oder nach dem Essen in Anspruch nimmt, um möglichst genaue Werte einzutragen?

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Kalorienzählen kann ins Extreme rutschen und soziale Beziehungen können darunter leiden. Durch den Fokus auf das Essen und den genauen Blick auf die eigenen Essgewohnheiten, kann es dazu führen, dass du das Gefühl hast, dir nichts mehr gönnen zu dürfen.
Der selbstgebackene Kuchen bei deiner Mutter zum Geburtstag? Besser nicht, denn deine Kalorien sind vielleicht schon aufgebraucht. Du weißt, dass du ein ungutes Gefühl nach dem Eintragen des Kuchens haben wirst, also verzichtest du lieber gänzlich auf das Essen.

Es findet eine Art Verschiebung statt.
Plötzlich sind die eigentlichen Ziele und der Gedanke, warum du dich für die Methode entschieden hast, im Hintergrund.

Ergebnisse und Disziplin bestimmen nun deinen Alltag genauso wie die kalorischen Werte. Das führt dazu, dass Lebensentscheidungen massiv beeinflusst werden und du zum größten Kritiker deiner Selbst wirst.
Neinsagen wird dich die ersten Male vielleicht Mut kosten, aber nur solange, bis es ebenfalls zu einer Gewohnheit wird. Jedes weitere Nein ist ein Erfolg und von da an wird es vermeintlich einfacher und erinnert an zu absolvierendes tägliches Training.

Die neugewonnene Disziplin wird zu deinem Lebensstil. Ein Kontrollverlust ist undenkbar.
Die Herangehensweise ist zwar noch recht neu, fühlt sich aber gut an und macht dir in gewisser Weise eventuell sogar Spaß.

Die ersten Erfolge sind zu spüren und zu sehen. Andere sprechen dich auf die Veränderung an, loben dein Durchhaltevermögen. Das sind alles Dinge, die dich noch besser fühlen lassen und dich darin bestärken, an der Sache dran zu bleiben.

Doch dann?

Der schleichende Prozess

Extremzustände sollten nie erstrebenswert sein. Dennoch rutschen Menschen leider viel zu schnell in solche Situationen.
Gefährlich wird es, wenn du aufgrund des Kalorienzählens dein Leben transformierst und diese Veränderung dich selbst ändert.
Wenn Familie und Freunde dich nicht mehr wiedererkennen. Wenn du dich von sozialen Interaktionen wie einem gemeinsamen Restaurantbesuch ausschließst, weil das Tracking zu ungenau wäre.

Die Selbstoptimierung

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Du fokussierst dich, dein bestes Selbst zu werden.
Mit jedem Tag und jedem Schritt kommst du deinem Ziel näher. Dir ist dabei egal, was die anderen denken – du machst weiter, weil es sich so gut anfühlt. Doch etwas ändert sich und du kannst nicht genau erkennen, was. Bekannte wenden sich ab. Einige Freunde wollen nicht mehr mit dir Essengehen.

Du verschließt die Augen vor Risiken und bemerkst gar nicht, dass das ein Problem werden könnte. Dass du „einer von denen“ werden könntest. Eine Essstörung?
Niemals, das ist übertrieben!
Warum solltest gerade du dort enden?
Du ernährst dich doch einfach bewusst – verzichtest hier und da auf das ein oder andere – was soll daran schon verkehrt sein?

Wie die Idee dich erreicht und prägt

Von einer harmlosen Situation und Zielsetzung, wird es allmählich immer strenger. Du suchst dir vielleicht einen neuen Freundeskreis, umgibst dich mit Menschen, die ähnlich denken, ähnliche Prioritäten haben und ähnliche Werte vertreten.

Du bist auf der Suche nach Gleichgesinnten. Motivation. Anerkennung. Respekt.

Aus den oben genannten Gründen wechselst du auch im virtuellen Bereich deine Interessen. Der Algorithmus sorgt dafür, dass du schnell in deiner „Bubble“ landest und auch lange drinnen bleiben kannst.

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Du folgst Inhalten, die deinen eigenen Lebensstil widerspiegeln und schaust „What I Eat In A Day“- Videos in den Sozialen Medien zur Unterhaltung.
Dabei vergisst du, dass die Portionsgrößen oftmals zwar schön angerichtet, aber auch sehr klein sind, sodass du ein falsches Bild gezeigt bekommst. Viele dieser Videos suggerieren dir unterschwellig, dass solche Mengen die Norm sind. Nicht selten folgen Motivationssätze, die dich beeinflussen sollen, weniger zu essen, um dich besser zu fühlen. Stück für Stück orientierst du dich an den Bildern, passt dein Essverhalten an und bist daher langfristig vielleicht sogar stark im Kaloriendefizit.

Der Wechsel des Blickwinkels ist gefährlich. Fremde, ungesunde Verhaltensweisen werden deine Eigenen. Erst schleichend, dann scheinbar endgültig.

Bleibt nun ebenso jegliche Aufklärung auf der Strecke, verstrickst du dich emotional weiter im Thema.
Eventuell verlierst du den Anschluss und wenn keine Menschen mehr um dich herum sind, die deine neuen Verhaltensweisen hinterfragen, ist es schwer, sich alleine aus dem Thema herauszukämpfen. Insbesondere, wenn die Erkenntnis noch im Nebel steht.

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Die anfängliche Idee von der Kontrolle deines Gewichts wird zu einem Plan, den du durchziehen musst, weil es etwas ist, was dir Kontrolle gibt.

Die Kraft von Sozialen Medien

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Gerade aus dem eigenen Umfeld und den sozialen Medien ziehst du deine Schlüsse. Wenn Content Creator regelmäßig solche scheinbar authentischen Essensvlogs posten, passt du dich an.
Wenn Influencer penibel auf die Kalorienanzahl achten, beeinflusst dich das ebenso.

Du lernst, dass du bei einem Kontrollverlust ein schlechtes Gewissen haben musst. Ein geringeres Selbstwertgefühl und/oder eine spürbare Bestrafung sind häufig die selbstgewählte Konsequenz.
Einige treiben nach einem „Essensanfall“ sehr viel mehr Sport, andere schauen mit mehr Nachdruck auf das eigene Essverhalten. Selbstgesetzte Verbote werden eingeführt und sollen vor Heißhungerattacken schützen.
Kann das gesund sein?

Worauf kannst du achten?

Die Methode des Kalorienzählens ist ansich kein Problem, aber du solltest dir bewusst darüber sein, dass andere Veränderungen daraus entstehen können.

Essen ist ein Teil unserer Kultur und ein Lebensstil – das Zubereiten eine Art kreativer Ausdruck – das Konsumieren ein Genuss. Das bedeutet aber auch, dass es okay ist, sich das ein oder andere Mal etwas gönnen zu dürfen.

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Eine gute Balance zu haben und die Beziehung zum Essen nicht zu verlieren, sind Punkte, die unerlässlich sind.

Im Kontext zu sozialen Medien ist es wichtig, jeden angebotenen Content im eigenen Feed kritisch zu betrachten. Was dir auch helfen könnte, ist einen Blick auf deine Bildschirmzeit zu werfen, eventuell sogar die Nutzung von Inhalten zu reduzieren.

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Was kann noch helfen?

Wenn es um die Kontrolle des eigenen Körpergewicht geht, kann es helfen, den eigenen Grundumsatz zu kennen. Dieser Wert gibt dir einen Überblick, wie viel du zu dir nehmen kannst, um dein Gewicht grundlegend zu halten. Wenn du Ziele hast, die sich mit deinem Gewicht befassen, kann das eine Stellschraube sein, an der du für einen bestimmten Zeitpunkt drehen kannst.
Es gibt Formeln, die dir helfen können, den Wert zu ermitteln. In dieser spielen jedoch auch verschiedene Faktoren mit hinein, wie zum Beispiel das Geschlecht und das Alter. Wichtig sind außerdem die eigenen Aktivitäten.

Folgende Fragen können dir helfen, dich selbst näher kennenzulernen:
Bist du ein aktiver Mensch? Gehst du viel im Alltag spazieren? Treibst du Sport? Wenn ja, wie oft? Machst du Ausdauer-oder Kraftsport?

Das Ergebnis der Berechnung des Grundumsatzes kann Klarheit verschaffen und eine Empfehlung sowie Richtlinie sein.
Ist dir eine möglichst genaue Angabe sehr wichtig, kann es helfen, einen Ernährungscoach heranzuziehen. Dieser entwickelt anhand von deinen Analysewerten aus Untersuchungen zusammen deinen Bedarf. Die 1:1 Betreuung hilft dir insbesondere dann, wenn du schon lange an einem Ziel arbeitest, es aber bislang nicht erreicht hast.

Ein guter Coach ist kompetent in dem, was er tut, kann dir Wissen vermitteln und Anpassungen durchführen – so lange, bis du Erfolge erzielst. In ihm findest du eine professionelle Ansprechperson.
So kannst du langfristig etwas für dich und dein Leben mitnehmen und mit einer Basis deine Ziele verfolgen.

Fazit

Das Verständnis von Lebensmittelwerten als auch der Zusammenhang von einzelnen Energiedichten sind komplexe Themen, die im Alltag oft untergehen.

Kalorienzählen für einen bestimmten Zeitraum kann helfen, ein Gefühl für die eigenen Gewohnheiten und Lebensmittel zu bekommen. Ganz risikofrei ist das Tracking jedoch nicht.

Wichtig ist und bleibt ein möglichst gesundes Verhältnis zum Essen zu bewahren.
Das Kalorientracking solltest du nur so lange machen, bis du intuitiv verstehst, wie viele Kalorien bestimmte Lebensmittelgruppen haben. Es geht darum, dass du hinter das System schaust und deine Perspektive wechselst. Befasse dich in deinem eigenem Tempo, zwanglos und eigenständig mit dem Thema Ernährung.

Wichtig: Das Zählen von Kalorien ist eine Methode!
Methoden funktionieren bei dem einen mehr und bei dem anderen eben weniger. Das solltest du stets im Hinterkopf haben.
Funktioniert sie bei dir nicht, ist das genauso okay wie andersherum.
Grundsätzlich gilt: Wenn du dich unwohl fühlst, lass es lieber sein! Wenn du merkst, dass sich so gut wie alles in deinem Alltag um das Einkaufen, Abwiegen, Essen dreht, kann das ein Zeichen sein, dass es dir nicht gut tut.

Rede mit jemandem über das, was dich bewegt!
Zögere nicht, dir Hilfe zu holen!
Viele haben das, was du erlebst, auch schon durch, obwohl du das von denen vielleicht nie gedacht hättest. Rede! Breche Tabus, fühle in dich hinein und sei nicht so streng zu dir selbst!

Jeder Körper ist individuell und so auch die körpereigenen Prozesse. Nicht alles ist mit der Anzahl von Kalorien geregelt. Der eigene Stoffwechsel und die Darmbakterien spielen zum Beispiel auch ihre ganz entscheidende Rolle.